Verein für die Geschichte Mögeldorfs

Die freie Reichsstadt und ihr Territorium fielen 1806 an das Königreich Bayern. Mögeldorf wurde eine selbstständige, aber bitterarme Gemeinde. Erst mit dem Bau der Ostbahn 1859 von Nürnberg nach Hersbruck begann ein wirtschaftlicher Aufschwung.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert blühte das gesellige Leben in Mögeldorf in zahlreichen Vereinen und Stammtischgesellschaften. Nicht nur die Ortsansässigen trafen sich in den Wirtschaften. Vielmehr kamen Nürnberger dazu, die mit der Ostbahn gerne aufs Land fuhren. So versammelte sich ab etwa 1880 jeden Montag eine Runde in der Franckschen Gaststätte, dem späteren Volksgarten, dann Wiener Wald und jetzt Osteria am Mögeldorfer Plärrer.

AQUARELL AUS DER ERSTEN CHRONIK, SITZUNG MIT FISCHKRÄNZLA

AQUARELL AUS DER ERSTEN CHRONIK, SITZUNG MIT FISCHKRÄNZLA

Dieser Stammtisch nannte sich Montagsgesellschaft und hob sich von anderen etwas ab, da es sich hier um besonders honorige Persönlichkeiten handelte. Aus der Stadt kamen Künstler, Gelehrte und Privatiers. Dazu gesellten sich angesehene Mögeldorfer: der Pfarrer, der Lehrer, der Brauereibesitzer, der Ortsarzt zusammen mit Kaufleuten, Landwirten und Handwerkern. Seele des Ganzen war Professor Ernst Spieß, Gymnasialprofessor und Vorstand der Naturhistorischen Gesellschaft in Nürnberg.

Die Zahl der Mitglieder nahm immer mehr zu und die Stammtischrunde gewann an Gestalt. Aus dem Jahr 1883 stammt eine erste Chronik, eigentlich mehr ein Protokollbuch. Dieses und zwei weitere sind uns erhalten geblieben. Eines ist in Privatbesitz, die beiden anderen haben wir dem Stadtarchiv übergeben. Die drei Chroniken spiegeln das Vereinsleben von den Anfängen um 1880 bis zur Auflösung im Jahr 1905. Sie sind reich illustriert mit kleinen Dokumenten, Zeichnungen und Malereien, manche von künstlerischem Rang.

AQUARELL VON GUSTAV SPECKHART

In der Vorbemerkung zur ersten Chronik schreibt Professor Spieß: „Schon seit vielen Jahren pflegen sich gute Freunde und Gleichgesinnte zur Vesperzeit an den Montagen in Mögeldorf zu versammeln und ein paar fidele Stunden dort bei gutem Stoff zu verplaudern.“

Ehemalige Gaststätte Tretter (später Gutmann) am jetzigen Plärrer

Nach einiger Zeit verlegte man den Stammtisch in die gegenüberliegende Tretterschen Gaststätte, dort wo heute die Deutsche Bank steht.

Das neue Tagungslokal wurde mit alten Mögeldorfer Zeichnungen, Stichen und gerahmten Mögeldorfer Urkunden ausgestattet. Pfarrer Hermann las aus seinem Büchlein „Mögeldorf einst und jetzt.“ Professor Hammer, der Direktor der Nürnberger Kunstschule, der Uhrmachermeister Speckhart und der Bildhauer Blab brachten neues Leben in die Montagsgesellschaft. Die Zahl der Mitglieder wuchs auf 75 an.

Ehemalige Gaststätte Tretter (später Gutmann) am jetzigen Plärrer

Auf Betreiben Professor Hammers und des Mögeldorfer Bürgermeisters Stiegler beschloss man, die Montagsgesellschaft in einen Geschichtsverein umzuwandeln. Am Montag, dem 29. Dezember 1890 war es so weit. Nach einer kurzen Einführung von Professor Hammer wurde innerhalb von fünf Minuten der „Verein für die Geschichte Mögeldorfs“ gegründet. Als 1. Vorsitzender wurde Professor Hammer gewählt.

Die allerdings erst Jahre später formulierten Statuten des Vereins sind uns in einer kleinen Schrift erhalten geblieben. Neben Mitgliedschaft, Beiträgen und Versammlungen definieren sie das spezielle Vereinsanliegen.

„Der Verein für Geschichte Mögeldorfs bezweckt in erster Linie die Restaurierung und Verschönerung der Pfarrkirche in Mögeldorf, in zweiter Linie die Geschichte dieser Ortschaft und seiner näheren Umgebung durch Sammlung von Aufzeichnungen, Archivalien und sonstigen Altertümern.“

KIRCHENPORTAL 1896 FEDERZEICHNUNG RUDOLF GEISSLER

Aus dem ersten Protokollbuch kann man ersehen, wie man versucht hat, diese Ziele zu erreichen.

Die Kirchenrestaurierung war für den Geschichtsverein ein Herzensthema. Der Bezug zur Kirchengemeinde war durch die Mitgliedschaft des Pfarrers gegeben, die Sachkompetenz in Gestalt des 1. Vorstands Professor Karl Hammer, dem Direktor der Kunstgewerbeschule gewährleistet. Nach dessen Tod 1897 trat Archivrat Lehner seine Nachfolge an. Speziell für die Renovierung des Kirchenportals sah sich der Verein finanziell gefordert. Professor Spieß beantragte dafür von jedem anwesenden Mitglied 10 Pfennig pro Woche. Darüber hinaus waren die Herren sehr erfinderisch in der weiteren Geldbeschaffung, durch Auferlegung von Strafen für Versäumnisse und vor allem in der Erhebung von Glückssteuern. So zahlt der Herr Pfarrer 1M, weil er entzückt ist vom neuen Hut seiner Frau. Und als der Eisendecker seinen ersten Sohn bekommt, zahlt er für diesen wohl gelungenen Guss eine Glückssteuer von 5 M. Der Brauereibesitzer Giulini verkauft seine Brauerei an Strebel. Da zahlt Giulini 5M Glückssteuer, weil er einen Dummen gefunden und seine Brauerei gut los gebracht hat und Strebel zahlt 5M, weil er das Glück hat, in Zukunft den berühmten Stoff, das Bier, noch weiter zu verbessern.

Nachfolgend einige Einträge aus den Protokollbüchern, die das Engagement des Geschichtsvereins bezeugen.

23. März 1891: Pfarrer Hermann teilt mit, dass zur Reparierung des Kirchenportals eine ministerielle Genehmigung notwendig sei und deshalb Pläne vorgelegt werden müssten. Das alte Portal wird vom Architekten Körper aus Berlin fotografiert, die Pläne verspricht Professor Hammer.

11. Jan 1892: Der Uhrmacher Gustav Speckhart findet auf dem Kirchenboden eine abgelegte Kreuzigungsgruppe. Eine Kommission wird gegründet, der Fund für künstlerisch wertvoll erachtet und Professor Hammer ist bereit, sie unter seiner Leitung in der Kunstschule restaurieren zu lassen. Diese Kreuzigungsgruppe befindet sich heute nach weiterer Renovierung im Chorraum der Kirche.

20. Juni 1892: Hammer berichtet über die mühevolle Arbeit, welche die Wiederherstellung der kirchlichen Altertümer und Kunstwerke verursacht. Hammer lädt zur Besichtigung ein.

Die Überbringung dieser Kleinodien in die Kirche soll nicht ohne Sang und Klang geschehen; es wird daher beschlossen, dies in zwei Akten vorzunehmen, von denen der erste in der Kirche, der zweite in der Tretterschen Wirtschaft spielt.

Kreuzigungsgruppe

KREUZIGUNGSGRUPPE, ANF. 16. JH

Das Protokollbuch vermeldet, dass am 1. Advent nachmittags (27. November 1892) die feierliche Aufstellung des Golgotha in der hiesigen Kirche stattfindet und dass bei dieser Gelegenheit in der Kirche durch den verehrlichen Singverein und durch den Kantor eine sachgemäße Feier stattfindet. Anschließend solle eine gemütliche Vereinigung der Mitglieder mit Familien im Trettersaale erfolgen

Hat der Verein seine Ziele erreicht?

 Die Erneuerung und Verschönerung der Pfarrkirche war im Jahr 1907 abgeschlossen. Von staatlicher Seite wurden etwa 80 000 Mark investiert. In der Generalversammlung des Geschichtsvereins am 12. November 1891 war beschlossen worden, den Pfandbrief der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank über etwa 2000 Mark dem Kirchenportal zu widmen, nachdem der Landtag für dieses nur 500 Mark vorgesehen hatte.

 Man kann annehmen, dass außer der Kreuzigungsgruppe und dem Kirchenportal auch noch Totentafeln und Schilde, die Grabplatte Ulrich von Grolands und die Ölberggruppe auf Veranlassung des Geschichtsvereins restauriert wurden. Die finanziellen Beiträge des Geschichtsvereins dürften insgesamt bescheiden gewesen sein. Das Hauptverdienst des Geschichtsvereins war die ideelle Unerstützung und künstlerische Beratung.

 Das zweite Ziel, die Erforschung der Geschichte Mögeldorfs mit der Veröffentlichung einer Heimatgeschichte hat der Verein nicht erreicht. Pfarrer Hermann hatte zwar 1887 ein Büchlein herausgebracht, “Mögeldorf sonst und jetzt“, das aber im Wesentlichen auf Kirche und Schule gerichtet war Der Nachfolger von Professor Hammer als 1. Vorsitzender, Kreisarchivfunktionär (Archichvrat) M.J. Lehner hat jahrelang an einer umfassenden Chronik Mögeldorfs gearbeitet und sie auch fertig gestellt wie aus den Protokollen hervorgeht. Warum dann keine Veröffentlichung erfolgt ist, geht wohl auch auf Unstimmigkeiten im Verein zurück.

ARCHIVARBEIT AN DER GESCHICHTE MÖGELDORFS

ARCHIVARBEIT AN DER GESCHICHTE MÖGELDORFS

Archivrat Lehner schied aus und Pfarrer Lauter übernahm Ende 1899 den Vorsitz. Die letzte Eintragung im 3. Protokollbuch datiert vom 14. Januar 1901. Man war versammelt bei Nickel. Friedrich Nickel war der Wirt der „Friedenslinde“, bei dem der Verein nach einem kurzen Zwischenspiel bei Rebhahn in der “Ostbahn“ (Freiligrathstraße 19) seit 1898 tagte.

Nachdem Mögeldorf am 1. Januar 1899 nach Nürnberg eingemeindet war, erfasste die Stadt Nürnberg auch die örtlichen Vereine aktenmäßig. In einem Schreiben an den Magistrat im September 1902 bestätigt der 1.Vorsitzende Pfarrer Lauter, dass der Verein wohl nur noch so lange vegetiert bis die Renovierung des Kirchenportals abgeschlossen sei.

Bereits im Oktober 1905 war es dann so weit, dass Lauter meldete: Der Verein ist faktisch aufgehoben. Am 11. Oktober 1905 wird der Geschichtsverein aus dem Vereinsregister gestrichen.

KIRCHENPORTAL NACH DER RENOVIERUNG

KIRCHENPORTAL NACH DER RENOVIERUNG